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115 Lohnverfügung. Formelle Rechtsverweigerung.
- Abgrenzung zwischen öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Anstellungsverhältnis (Erw. I/2).
- Abgrenzung zwischen Klageund Beschwerdematerie (Erw. I/3). - Formelle Rechtsverweigerung bejaht, da der Gemeinderat durch seinen Rechtsvertreter mitteilen liess, er sehe trotz Aufforderung
zum Erlass einer neuen Lohnverfügung keinen Handlungsbedarf
(Erw. II/2 und 3).
Aus dem Entscheid des Personalrekursgerichts vom 8. Juli 2004 in Sachen Z. gegen Einwohnergemeinde X. (BE.2004.50004).
Aus den Erwägungen
I. 2. Umstritten ist zunächst die Frage, ob das Anstellungsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der Einwohnergemeinde X. öffentlichrechtlicher privatrechtlicher Natur ist. Nur im ersten Fall ist die Zuständigkeit des Personalrekursgerichts gegeben (vgl. lit. d hienach). a) Gemäss Personalreglement der Gemeinde X. vom 26. November 2001 (Personalreglement), gültig ab 1. Januar 2002, ist das Arbeitsverhältnis zwischen der Gemeinde und ihren Angestellten grundsätzlich öffentlichrechtlicher Natur (Art. 2 Abs. 1). In einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis stehen indessen die Aushilfen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Personalreglement). Dabei handelt es sich um Personal, welches auf befristete Dauer stundenweise angestellt ist, um Praktikanten (Art. 1 Abs. 7 Personalreglement). Die Beschwerdeführerin ist weder auf befristete Dauer noch stundenweise angestellt (vgl. insbesondere Ziff. 1 Abs. 1 Satz 2 Pflichtenheft ["Die Besoldung wird ... dem Hauswart monatlich ausgerichtet"] sowie den Gemeinderatsbeschluss Nr. 596 vom 10. Dezember 2001, wonach für die Funktion der Beschwerdeführerin eine feste "Entschädigung" für ein Jahr festgelegt wurde); ebenso wenig als Praktikantin. Eine privatrechtliche Anstellung als Aushilfe
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fällt somit gemäss Personalreglement ausser Betracht. Entsprechend ist von einem öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnis auszugehen. b) Zur Zeit der Anstellung der Beschwerdeführerin im Jahr 1998 galt noch nicht das Personalreglement, sondern das Dienstund Besoldungsreglement vom 7. Dezember 1987 (DBR). Danach standen Angestellte (= hauptamtliches, vollund teilzeitbeschäftigtes Gemeindepersonal; Art. 1 Abs. 1 DBR) und nebenamtliches Gemeindepersonal in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis (Art. 2 Abs. 1 DBR). Privatrechtliche Dienstverhältnisse waren lediglich vorgesehen für Aushilfspersonal, welches im Stundenlohn angestellt war (Art. 2 Abs. 3 DBR). Die Beschwerdeführerin wurde nicht im Stundenlohn angestellt (vgl. lit. a hievor), sondern offensichtlich als nebenamtliches Gemeindepersonal gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a DBR angesehen (vgl. insbesondere Titel des Pflichtenhefts ["Pflichtenheft für den nebenamtlichen Hauswartsdienst im Schloss"] sowie Ziff. 11 des Mietvertrages vom 25. August 1998 ["Die Miete der Wohnung ist fest mit der Ausübung des nebenamtlichen Hauswartsdienstes verbunden"]). Dementsprechend war auch nach Massgabe des Dienstund Besoldungsreglements das umstrittene Anstellungsverhältnis öffentlichrechtlicher Natur. c) Aus dem Pflichtenheft, durch dessen Unterzeichnung am 16. Oktober 1998 die Anstellung begründet wurde, ergibt sich nicht der geringste Hinweis auf eine gegenteilige Beurteilung. Vielmehr lässt die Formulierung, dass die Hauswartin "auf die Dauer einer Amtsperiode vom Gemeinderat gewählt" wird, darauf schliessen, dass die Beschwerdeführerin seinerzeit öffentlichrechtlich angestellt wurde; bei privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen spricht man grundsätzlich nicht von einer Wahl und insbesondere werden sie nicht auf die Dauer einer Amtsperiode begründet. Auch der Umstand, dass im Pflichtenheft die Anwendbarkeit von Disziplinarbestimmungen vorgesehen ist, bildet ein deutliches Indiz für das Vorliegen eines öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnisses. Im Zusammenhang mit den diesbezüglichen Ausführungen der Einwohnergemeinde X. erscheint wesentlich, dass für nebenamtliches Ge-
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meindepersonal das Dienstund Besoldungsreglement grundsätzlich keine Geltung beanspruchte (Art. 1 Abs. 2 lit. a DBR) und die Anwendbarkeit der Disziplinarbestimmungen folglich einen expliziten Verweis voraussetzte. Schliesslich ist der Begriff der Kündigung (vgl. Ziff. 1 Abs. 5 Pflichtenheft) nicht auf privatrechtliche Anstellungsverhältnisse beschränkt, sondern wird insbesondere auch bei vertraglich begründeten öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnissen regelmässig verwendet. d) Zusammenfassend ergibt sich, dass in concreto ein öffentlichrechtliches Anstellungsverhältnis vorliegt. Dies ergibt sich sowohl in Anbetracht der massgebenden rechtlichen Grundlagen als auch aufgrund des Pflichtenhefts; schlüssige Indizien, welche für eine privatrechtliche Anstellung sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Der Umstand, dass seitens des Gemeinderates nach Abschluss des Pflichtenhefts zum Teil eine andere Meinung vertreten wurde, vermag diese Beurteilung nicht in Frage zu stellen. Der Vollständigkeit halber sei schliesslich darauf hingewiesen, dass selbst beim Vorliegen eines Zweifelsfalls von einem öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnis auszugehen wäre (vgl. PRGE vom 19. Mai 2003 i.S. J.I., S. 4 f.; VGE IV/52 vom 25. September 2001 i.S. A.B., S. 4 ff. mit Hinweisen). Gemäss § 48 Abs. 1 PersG gelten bei Streitigkeiten aus einem öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnis zwischen Gemeinden, Gemeindeverbänden anderen öffentlichrechtlichen Körperschaften und ihren Mitarbeitenden die Bestimmungen über das gerichtliche Klageund Beschwerdeverfahren nach §§ 39 und 40 PersG; das Schlichtungsverfahren nach § 37 PersG entfällt. Das Personalrekursgericht ist somit sachlich zuständig, um über Streitigkeiten aus dem Anstellungsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der Einwohnergemeinde X. zu urteilen. 3. Gegen Verfügungen und Entscheide der Gemeinden in Personalund Lohnfragen steht die Beschwerdemöglichkeit offen; vertragliche Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen den Gemeinden und ihren Mitarbeitenden sind demgegenüber auf dem Klageweg zu beurteilen (vgl. §§ 38 - 40 in Verbindung mit § 48 PersG).
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a) Gemäss Art. 4 Abs. 1 Personalreglement wird das Anstellungsverhältnis zwischen der Einwohnergemeinde X. und ihren Angestellten durch öffentlichrechtlichen Arbeitsvertrag begründet. Demgegenüber enthält das Personalreglement keine Aussage dar- über, inwieweit über die Begründung des Anstellungsverhältnisses hinaus personalrechtliche Belange vertraglich zu regeln sind und inwieweit dies mittels Verfügung erfolgt. Immerhin steht fest, dass nicht alle Fragen vertraglich geregelt werden; ansonsten wäre in Art. 54 Personalreglement nebst der Klagenicht auch die Beschwerdemöglichkeit erwähnt. b) aa) Die Formulierung in Art. 31 Abs. 1 Personalreglement, wonach der Gemeinderat die Löhne der Angestellten "festlegt", lässt den Schluss zu, dass es sich dabei um eine Verfügungsmaterie handelt. Dasselbe gilt in Bezug auf die Marginale von Art. 36 Personalreglement ("Eröffnung des Lohns"; ein vertraglich vereinbarter Lohn bedürfte keiner "Eröffnung"). Im Weiteren ergibt sich aus Art. 56 Personalreglement in Verbindung mit § 48 PLV, dass zwar personalrechtliche Belange grundsätzlich vertraglich zu regeln sind, insbesondere in Bezug auf die Festlegung des Lohns und der Lohnzulagen indessen eine Verfügung ergeht. Diese kantonale Regelung käme als subsidiäre Rahmenordnung selbst ohne ausdrücklichen Verweis im Personalreglement zur Anwendung (vgl. § 50 GG). Schliesslich ist anhand der Materialien kein Hinweis darauf ersichtlich, dass mit Erlass des Personalreglements im Gegensatz sowohl zum Dienstund Besoldungsreglement als auch zum kantonalen Recht nebst der Anstellung künftig auch die Lohnfestlegung nicht mehr mittels Verfügung, sondern mittels Vertrag erfolgen sollte. Gemäss Art. 36 Personalreglement bildet der Anfangslohn Bestandteil des schriftlichen Anstellungsvertrages und wird vom Angestellten mit der Vertragsunterzeichnung akzeptiert (vgl. auch Art. 32 Personalreglement). Die Notwendigkeit eines Akzepts steht der obigen Beurteilung nicht entgegen bzw. bildet kein schlüssiges Indiz für eine vertragliche Regelung: Auch die hoheitliche Festlegung des Lohns bedarf der Zustimmung des Betroffenen, da sie eine mitwirkungsbedürftige Verfügung darstellt (vgl. zu diesem Begriff Ulrich
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Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 897 ff.). bb) Im Beschluss Nr. 596 vom 10. Dezember 2001 legte der Gemeinderat X. u.a. das Entgelt der Beschwerdeführerin in der Amtsperiode 2002 - 2005 fest. Der verwendete Begriff "Entschädigung" (anstatt "Lohn") lässt darauf schliessen, dass der Gemeinderat die Funktion der Beschwerdeführerin als "Nebenamt" im Sinne von Art. 1 Abs. 8 Personalreglement auffasst. Es erscheint fraglich, ob sich unter diesen Begriff seiner Natur nach nebst magistralen und auftragsähnlichen Nebenbeschäftigungen auch Tätigkeiten innerhalb der Verwaltungshierarchie subsumieren lassen, zumal mit dem Personalreglement gegenüber dem Dienstund Besoldungsreglement (Art. 1 DBR) die Unterscheidung zwischen "hauptamtlichem Gemeindepersonal" und "nebenamtlichem Gemeindepersonal" aufgegeben wurde. Die Frage kann indessen vorliegend offen bleiben, da kein Indiz dafür besteht, dass Entschädigungen im Sinne von Art. 1 Abs. 8 Personalreglement im Gegensatz zum Lohn (vgl. lit. aa hievor) vertraglich zu regeln wären. Dagegen spricht auch die Formulierung der genannten Bestimmung ("... werden vom Gemeinderat festgelegt"). cc) Soweit die Beschwerdeführerin ihre Forderung gegenüber der Einwohnergemeinde X. damit begründete, dass ihr Lohn bzw. ihre Entschädigung diskriminierend sei, machte sie sinngemäss geltend, ihr Entgelt sei rückwirkend neu festzulegen und die Differenz sei nachzuzahlen. Die Festlegung des Lohnes bzw. der Entschädigung erfolgt wie gesehen (vgl. lit. aa und bb hievor) mittels Verfügung. Entsprechende Streitigkeiten sind folglich durch das Personalrekursgericht im Beschwerdeverfahren zu beurteilen. c) Die Beschwerdeführerin stützt ihre Forderung zusätzlich auf angeblich geleistete Überstunden sowie angeblich irrtümlich geleistete Zahlungen für Stellvertretungen und Hilfskräfte. Gemäss der subsidiär anwendbaren kantonalen Regelung handelt es sich dabei um Klagematerien, und zwar sowohl nach altem (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Diss. Zürich 1998, § 60 N 32) als auch nach neuem Recht (keine Verfügungskom-
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petenz der Anstellungsbehörde gemäss § 48 PLV). Der Gemeinderat X. ist nicht zuständig, eine diesbezügliche Verfügung zu erlassen, bzw. die Beschwerdeführerin ist nicht auf eine entsprechende Verfügung angewiesen. Vielmehr kann sie ihre Forderung direkt mittels Klage beim Personalrekursgericht geltend machen. Eine Beschwerde ist demzufolge in diesem Zusammenhang ausgeschlossen. (...) II. 2. Gemäss dem Diskriminierungsverbot gemäss Art. 3 GlG dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden (Abs. 1). Dieses Verbot gilt u.a. in Bezug auf die Entlöhnung (Abs. 2). Darunter ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht nur der Geldlohn im engeren Sinne zu verstehen, sondern - unabhängig davon, wie es im Einzelnen bezeichnet wird jedes Entgelt, das für geleistete Arbeit ausgerichtet wird (BGE 126 II 217, Erw. 8/a; BGE 109 Ib 81, Erw. 4/c; Margrith Bigler-Eggenberger, Justitias Waage wagemutige Justitia, Basel 2003, S. 276). Darunter fällt mithin auch das der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Hauswartin entrichtete Entgelt, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei gemäss den einschlägigen Bestimmungen des Personalreglements um Lohn um eine Entschädigung handelt (vgl. Erw. I/3/b hievor). Der Gemeinderat X. ist zuständig, in Bezug auf die Aufforderung betreffend Festlegung des Lohns bzw. der Entschädigung eine Verfügung zu erlassen (vgl. Erw. I/3 hievor). Aufgrund der behaupteten Diskriminierung hat die Beschwerdeführerin einen entsprechenden Rechtsanspruch (Art. 5 Abs. 1 GlG). 3. Mit Schreiben vom 23. Februar 2004 teilte der Rechtsvertreter der Einwohnergemeinde bzw. des Gemeinderates X. der Beschwerdeführerin mit, nach eingehender Prüfung der Unterlagen sowie der rechtlichen Grundlagen komme er zum Schluss, dass sämtliche geltend gemachten Forderungen jeder Grundlage entbehren wür- den und somit kein Handlungsbedarf von Seiten seiner Klientschaft bestehe. Damit wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Gemeinderat X. untätig bleiben bzw. keine Verfügung betreffend der Forderung um eine neue Festlegung des Lohnes erlassen werde. Das Schreiben des Rechtsvertreters stellt offensichtlich keine
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Verfügung dar. In der Folge wurde tatsächlich keine Verfügung erlassen, obwohl der Gemeindeammann offenbar gegenüber der Präsidentin der Schlichtungsstelle für Gleichstellungsfragen Ende Februar 2004 in Aussicht gestellt hatte, dass innert 2 - 3 Wochen eine Verfügung ergehen werde. Damit sind die Voraussetzungen einer formellen Rechtsverweigerung erfüllt.